Alles begann, als im März 2014 das Telefon im Institut für Mikrobiologie läutet. Am anderen Ende ein Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation, WHO. In Afrika gibt es besorgniserregende Anzeichen für den Ausbruch einer tödlichen Ebola-Seuche. Kann die Bundeswehr helfen?
Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München kann.
Finanziert von der EU-Kommission als Teil eines „Capacity-building-Programms“ für Afrika waren schon 2013 drei mobile Laborsysteme auf der Grundlage eines am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) entwickelten Prototypen beschafft worden.
Die „Idee“ für ein mobiles Labor entstammte dabei der Überzeugung des Sanitätsdienstes, auch im Ausland über hochmoderne Diagnostik zum Schutz deutscher Soldaten in biologischen Gefahrenlagen verfügen zu müssen. Der enorme Nutzen dieser Labore bei Gesundheitskatastrophen wurde rasch auch von zivilen Partnern des Instituts erkannt. Auf Anregung des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg wurde daher unter Beteiligung des IMB bereits 2012 das EU-finanzierte „European-Mobile-Laboratory-(EMLab)-Projekt“ begründet. Dessen ursprüngliche, im Projektvertrag festgelegte Aufgabe war es, in Europa und Afrika eine Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf Ausbrüche gefährlicher Infektionskrankheiten wie Ebola, Lassa und andere hämorrhagische Fieber zu schaffen. Für den Fall eines Seuchenausbruchs sollten Laborteams binnen weniger Stunden verlegebereit sein. Dadurch wurde die schnelle Reaktion auf die ersten Ebola-Fälle im Frühjahr 2014 möglich.
Nur drei Tage nach dem Anruf der WHO sind die Spezialisten des IMB schon auf dem Weg nach Westafrika. Im Auftrag der WHO reisen sie nach Sierra Leone, Guinea und Liberia und später auch für das Auswärtige Amt nach Mali. Mit dabei haben sie ihre mobile Laborausrüstung – verpackt in bis zu zwanzig orangefarbene Rollkoffer. Innerhalb kürzester Zeit ist das erste europäische Laborteam mit Experten aus Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland arbeitsfähig. Die Projektmitarbeiter des IMB unterstützen dabei mit ihrem Fachwissen in den ersten Wochen den Aufbau der Labore vor Ort und helfen, technische Probleme unter den primitiven Umgebungsbedingungen zu lösen. Anschließend übernehmen die Spezialisten aus München die Ausbildung weiteren Laborpersonals aus ganz Europa am Standort München. Vor einem Einsatz in einem der Laborteams werden die Freiwilligen – allesamt Experten aus den führenden Hochsicherheitslaboren Europas – für mindestens fünf Tage in München geschult und so für die Ebola-Diagnostik in Afrika fit gemacht.
Für den Betrieb eines EMLab werden vier Wissenschaftler oder technische Laborassistenten mit Erfahrung in der Ebola-Diagnostik und im Umgang mit hochinfektiösen Proben benötigt. Insbesondere die räumliche Nähe des Arbeitsplatzes zu den Patienten wird dann auch eine menschliche Herausforderung für die Mitarbeiter: Die EM-Labore sind oft nur 10 Meter von den Ebola-Behandlungseinrichtungen entfernt. Der Sichtkontakt zu Patienten und Pflege-Teams der „Ärzte ohne Grenzen“, die Gerüche und Geräusche, die alltägliche Konfrontation mit dem Tod vieler Menschen, haben die Laborteams manchmal auch psychisch sehr stark gefordert. Diese Belastungsfaktoren wurden umgehend auch bei der Vorbereitungsausbildung in München verstärkt berücksichtigt. Analog zum Vorgehen in der Bundeswehr wird allen Mitgliedern der Laborteams ein PTBS-Debriefing angeboten, um mögliche Belastungen rasch zu erkennen.
Auch das tropische Klima und die sehr einfachen Lebens- und Hygienebedingungen sind immer wieder eine große Herausforderung für die Teammitglieder. Gerade in dieser Beziehung hatten die IMB-Mitarbeiter, zumindest die Soldaten unter ihnen, einen kleinen Vorteil: Das Leben unter einfachen Feldbedingungen war ihnen aus vielen Übungen und früheren Auslandseinsätzen nicht ganz unbekannt.
Am 1.7.2015 wurden nun die fünf beteiligten Mitarbeiter des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr in München im Rahmen eines Institutsappells vom Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Ingo Patschke, persönlich geehrt.
Für Oberfeldarzt Dr. Roman Wölfel, Projektleiter des EMLab-Projekts am IMB, Anlass zu einer positiven und nüchternen Bilanz des Einsatzes: „Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, auf die Diagnostik einer gefährlichen Infektionskrankheit wie Ebola auch in Afrika vorbereitet zu sein. Die Umgebung und das Klima stellen dabei besondere Herausforderungen dar. Glücklicherweise hatten wir im Sanitätsdienst bereits vor Jahren mit der Entwicklung eines mobilen Labors begonnen und konnten so auch bei dieser Katastrophe in Westafrika zusammen mit unseren zivilen europäischen Partnern schnell helfen. Mit unseren mobilen Laboren verfügt der Sanitätsdienst der Bundeswehr jetzt über eine immer noch ziemlich einzigartige Fähigkeit. Viele Partner in der NATO aber auch im übrigen Europa nehmen sich das jetzt zum Vorbild. Mein Team und ich sind da schon ein wenig stolz – insbesondere, da wir in den letzten Monaten in Afrika wirklich effektive Hilfe leisten konnten.“
Das erste EMLab wurde im März 2014 nach Guinea verlegt, gefolgt von einem weiteren Labor in Liberia. Nach Eindämmung der Ebola-Epidemie in Liberia wurde diese Einheit im Dezember 2014 nach Sierra Leone gebracht und zur gleichen Zeit ein weiteres Labor aufgebaut. Die malische Regierung erhielt ein gleichartiges mobiles Labor ebenfalls zum Jahresende 2014. Alle diese Labore sind derzeit weiterhin im Einsatz.
Bisher gibt es über 27.000 gemeldete Ebola-Fälle in Westafrika und mehr als 11.000 Todesfälle. Im Rückblick bleiben reichlich Daten für eine wissenschaftliche Auswertung in den kommenden Jahren. Denn alle Untersuchungsmaterialien wurden akribisch dokumentiert und aufbewahrt. Auch hat man ausreichend Erfahrungen für eine kritische Bewertung der Operation gesammelt. Die Daten aus den kürzlich im renommierten Fachblatt Nature veröffentlichten ersten Untersuchungen werden genutzt, um besser zu beurteilen, wie effektiv die Ebola-Kontrollmaßnahmen in Afrika wirklich waren. Sie helfen auch zu verstehen, wie sich der aktuelle Ebola-Ausbruch zu diesem bisher noch nie dagewesenen Ausmaß entwickeln konnte.
Bilder: J. Langer (SanakBw)