Kompetenzbereich Viren & intrazelluläre Erreger

Leitung: Flottillenarzt PD Dr. Joachim J. Bugert

Der Kompetenzbereich beschäftigt sich mit ausgewählten Viren und intrazellulären Erregern, die lebensbedrohliche Krankheitsbilder bei Mensch und Tier auslösen können. Im Vordergrund steht die Bearbeitung von Fragestellungen zur Diagnostik, Epidemiologie, Surveillance, Ökologie, Pathogenese und Therapie der Pocken, viraler Enzephalitiden, wie der FSME, viraler hämorrhagischer Fieber, Rickettsiosen und Q-Fieber aber auch von Erkrankungen durch neu auftretende Viren (z. B. Influenzaviren und SARS-CoV-2). Diagnostische Verfahren für den Erreger- und Antikörpernachweis werden kontinuierlich verbessert, forensische Typisierungsverfahren bis hin zur Hochdurchsatz-Sequenzierung entwickelt und angewendet, die - unter der Berücksichtigung der Epidemiologie - bei einem ungewöhnlichen Krankheitsgeschehen die Unterscheidung eines natürlichen von einem absichtlich herbeigeführten Geschehen ermöglichen sollen. Bildgebende Verfahren der konfokalen Laser- und Elektronenmikroskopie werden eingesetzt, um die Interaktionen der viralen Krankheitserreger mit den Wirtszellen und die Wirksamkeit antiviralerWirkstoffe zu untersuchen. Zum Vergleich von Erreger- und Wirkstoffeigenschaften werden komplexe Infektionsmodelle (z.B. der Blut-Hirnschranke) und Zellimpedanzmessungen eingesetzt. Wirkstoffe gegen B-Schutz relevante Erreger werden in In-vitro-Modellen getestet und Kandidaten-Substanzen mit hoher Effektivität und minimaler Nebenwirkung identifiziert. Bakterienviren (Phagen) zur Therapie multiantibiotikaresistenter Bakterien werden isoliert, charakterisiert, modifiziert, und Phagenbanken und GMP Produktionslaboratorien zur Durchführung klinischer Studien zur Verfügung gestellt. 

Alle im Kompetenzbereich Viren & Intrazelluläre Erreger entwickelten medizinisch-diagnostischen Verfahren werden gebündelt über den Zentralbereich Diagnostik des Instituts bereitgestellt. Alle zur Verfügung stehenden Testverfahren sowie Hinweise zu Probennahme und Transport sind detailliert im Analysenverzeichnis aufgeführt.

Das nationale Konsiliarlabor für FSME wird durch den Kompetenzbereich II betrieben.

Aktuelle Drittmittelprojekte

seit 2024 RESILIENCE Consortium I SGA 2023 Elaboration of Phage-based Diagnopstics and Therapeutics for Infections caused by CBRN Bacteria EDF
seit 2023 Design and implementation of effective cOmbination of Phages and Antibiotics for improved TheRApy protocols against KLEbsiella pneumoniae (KLEOPATRA) BMBF

Abgeschlossene Drittmittelprojekte

2021 - 2023 Aufsuchende Epidemiologie der West Nil-Virusinfektion in Deutschland (EpiWeNiGer) BMG
2014 - 2023 Tick-borne Encephalitis in Germany (TBENAGER) BMBF
2013 - 2022 Deutsch-Kasachisches Netzwerk für Biosicherheit AA
2013 - 2016 Aufbau eines deutsch-tansanischen Netzwerks zur Diagnostik und Epidemiologie von Infektionskrankheiten verursacht durch potentielle B-Agenzien AA

Virale Enzephalitiden

Virale Enzephalitiden spielen als potenzielle B-Agenzien eine große Rolle. Allen voran war dies für lange Zeit das Virus der  Venezolanischen Pferdeenzephalitis, ein Virus aus der Familie Togaviridae und der Gattung Alphavirus.  Aber auch die hochpathogenen Stämme des Fernöstlichen Subtyps des  Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus (FSME-Virus) wurden beforscht. Die erst kürzlich entdeckten  Henipa-Viren gelten aufgrund ihrer hohen Pathogenität und der Übertragungswege ebenfalls als pozentielle B-Agenzien. 

Virale Hämorrhagische Fieber

Bei dem Begriff „Virales Hämorrhagisches Fieber“ handelt es sich um eine reine Beschreibung eines klinischen Symptom-Komplexes, der durch unterschiedliche Viren verursacht wird. Diese können im Rahmen eines schweren Allgemeininfekts eine Störung der Blutgerinnung verursachen. Prominente Beispiele sind das Ebola-Virus und auch das Gelbfieber-Virus. Insgesamt gibt es jedoch mindestens 18 verschiedene Viren aus mindestens 5 Virus-Familien, die zu den Hämorrhagische-Fieber-Viren gerechnet werden. Von Relevanz für den Medizinischen B-Schutz ist das Marburg-Virus, das von verschiedenen Ländern auf seine Eignung als biologischer Kampfstoff beforscht wurde. Von herausragender Bedeutung für militärische Einsätze sind die weltweit vorkommenden Dengue-Viren und die in den Einsatzgebieten der Bundeswehr im Balkan vorkommenden Hantaviren bzw. das in Einsatzgebieten im Balkan und in Afghanistan vorkommende Krim-Kongo- Hämorrhagisches- Fieber-Virus.

Die aktuellen Forschungsprojekte auf dem Gebiet der viralen Hämorrhagischen Fieber konzentrieren sich derzeit überwiegend auf Hantavirus-Infektionen.

Orthopockenviren

Die Arbeitsgruppe für Orthopockenviren betreibt das Pocken-Fachlabor für die Bundeswehr. Die humanpathogenen Orthopockenvirus (OPV)-Spezies Variolavirus und Affenpockenvirus gelten als potenzielle B-Kampfstoffe, die tödlich verlaufende Infektionen verursachen können. Immunologisch lassen sich Variola- und Affenpockenviren nicht unterscheiden, dies gelingt nur mittels molekularbiologischer Verfahren, die allerdings - aufgrund der hohen Sequenzhomologie der OPV untereinander - verschiedene Genombereiche abdecken sollten. Die Methode der Gesamtgenomsequenzierung von Isolaten oder direkt aus klinischen Materialien zur Lösung forensischer Fragen (auch unter Berücksichtigung von gentechnisch veränderter OPV) wurde etabliert.

Feldmäßig einsetzbare Verfahren zur Schnelldiagnostik sind generell verfügbar und werden derzeit zum Nachweis von OPV eingesetzt. Unbekannt sind die Strukturen, die die ZNS Gängigkeit von OPV bestimmen. OPV Enzephalitis erhöht die Fallsterblichkeit bei OPV Infektionen des Menschen und bestimmte Vacciniastämme verursachen häufiger Impfenzephalitis.

Mittlerweile existieren in den USA zwei zugelassene Pockenimpfstoffe, in Deutschland kann der durch die European Medicines Agency (EMA) zugelassene MVA-Impfstoff eingesetzt werden. Ein Ersatz für das Vaccinia-Immunglobulin (mit einer erweiterten Indikation zur passiven Post-Expositionsprophylaxe) ist nicht verfügbar. In den USA sind die OPV-spezifischen Virostatika Tecovirimat (TPOXX; ST246; Zulassung 2018) und Brincidofovir (Zulassung 2021) über die Food and Drug Administration (FDA) zuzulassen. Eine Zulassung von Tecovirimat in der EU wurde bei der EMA 2021 beantragt.

Rickettsiosen

Als Rickettsiosen werden Infektionen bezeichnet, die sich in unterschiedlichen, klinischen Krankheitsbildern äußern und durch eine Vielzahl von verschiedenen Rickettsienarten verursacht werden können. Rickettsien sind gramnegative Stäbchenbakterien, die sich nicht auf festen oder in flüssigen Medien, sondern  nur in Zellen vermehren lassen. Historisch wurden Rickettsien aufgrund dieses intrazellulären Wachstums daher als „große Viren“ bezeichnet. Deswegen werden Rickettsien  auch heute noch zumeist in virologischen Abteilungen mit bearbeitet. Generell werden Rickettsien durch verschiedene Vektoren, z.B. Flöhe, Läuse oder Zecken auf den Menschen übertragen. Prinzipiell können sie in drei große Gruppen eingeteilt werden,

  • die Gruppe, die epidemische oder klassische Fleckfieber (Typhus-Gruppe) verursacht,
  • die Gruppe, die Zecken-übertragene Fleckfieber (Fleckfieber-Gruppe) auslöst, und
  • die Gruppe der „Ahnen-Rickettsien“.

Epidemische Fleckfieber, umgangssprachlich auch als „Flecktyphus“, „Hungertyphus“, „Kriegstyphus“ sowie „Läusetyphus“ bezeichnet, werden durch Rickettsia prowazekii ausgelöst und sind seit Jahrhunderten bekannt. Diese waren früher v.a. im östlichen und südlichen Europa verbreitet und führten in Kriegs- und Hungerzeiten zu einer Vielzahl von Todesopfern. Der hochkontagiöse Erreger Rickettsia prowazekii wird der CDC-Kategorie B der potenziellen bioterroristischen Agenzien zugeordnet. Das Murine Fleckfieber, auch „endemisches Fleckfieber“ oder „Rattenfleckfieber“ ist eine Infektion durch Rickettsia typhi. Sie wird vom Rattenfloh und anderen Floharten übertragen und führte historisch ebenfalls zu schweren Ausbrüchen. Rickettsiosen und die sich daraus ergebenden diagnostischen Fragestellungen haben in Bezug auf Einsätze von Soldaten in Auslandsverwendungen auf dem Balkan, in Afrika und in Afghanistan eine große militärmedizinische Relevanz. Darüber hinaus kommt ihnen auch aus reisemedizinischer Sicht  ebenso wie den erst vor kurzer Zeit in Deutschland nachgewiesenen, potenziell krankheitsauslösenden Rickettsienarten eine zunehmend große Bedeutung zu.

Q-Fieber

Die Arbeitsgruppe für Coxiella (C.) burnetii betreibt das Q-Fieber-Fachlabor für die Bundeswehr. C. burnetii, der Erreger des Q-Fiebers, ist ein potenzieller B-Kampfstoff. Für die molekulare und immunologische Identifizierung bzw. Typisierung von C. burnetii und zur Früh-, Schnell- und Spezialdiagnostik des Q-Fiebers werden standardisierte Verfahren und validierte Diagnostika benötigt. Derzeit existierende Impfstoffe sind nur begrenzt erhältlich und nur eingeschränkt einsetzbar. Gesicherte Erkenntnisse über die Dauer einer schützenden Immunität liegen nicht vor. Mögliche Expositions- und Infektionsrisiken für Soldaten bei Einsätzen in Enzootie-/ Endemiegebieten des Q-Fiebers sind zu erkennen und zu bewerten.

Der Auftrag der Arbeitsgruppe beinhaltet die Entwicklung, Etablierung und Evaluierung von Verfahren für die Früh-, Schnell- und Spezialdiagnostik des Q-Fiebers, für den Erregernachweis sowie die Antibiotika-Resistenzbestimmung zum Zwecke der vorläufigen, bestätigten und zweifelsfreien Identifizierung des Erregers sowie zur Diagnostik von Coxiella-Infektionen. Für Rückverfolgungs-Analysen und zur epidemiologischen Ausbruchsaufklärung werden auch Methoden der molekularen Feintypisierung des Genoms einschließlich der Gesamtgenom-Sequenzierung eingesetzt. Weitere Aufgabengebiete sind die Aufklärung der Erreger-Wirts-Wechselbeziehungen, die präklinische Prüfung von Impfstoffkandidaten sowie die Aufklärung von Krankheitsausbrüchen und enzootischen/endemischen Lagen in Deutschland und in Einsatzregionen der Bundeswehr.

Antivirale Wirkstoffe

Untersuchungen zur Verbesserung der Therapie und Prophylaxe von Infektionen mit natürlichen Krankheitserregern oder B-Kampfstoffen dienen der Verhütung und Bekämpfung von Infektionsereignissen und Ausbruchsgeschehen, somit dem Schutz der Gesundheit von Bundeswehrangehörigen in Einsatzgebieten. Die Arbeitsgruppe Antivirale Wirkstoffe testet mittels In-vitro-Infektionsmodellen synthetische Verbindungen und Impfstoffe auf ihre Wirksamkeit gegen B-Schutz-relevante Erreger. Weitere Ziele sind die Untersuchung synergistischer Effekte zur Dosis- und Toxizitätsreduktion sowie die Entwicklung neuer Testverfahren und Technikplattformen. Vielversprechende Wirkstoff-/Impfstoff-Kandidaten werden mithilfe von In-vitro-Infektionsmodellen auf Eignung geprüft. Zu diesem Zweck unterhält die Arbeitsgruppe nationale und internationale Kollaborationen mit Ressort- und universitären Forschungseinrichtungen.

Phagentherapie

Untersuchungen zur Verbesserung der Therapie und Prophylaxe von Infektionen mit maximal multiresistenten gramnegativen Bakterien (MRGN3/4) dienen der Verhütung und Bekämpfung von Infektionsereignissen und Ausbruchsgeschehen, somit dem Schutz der Gesundheit von Bundeswehrangehörigen im Einsatz in Endemiegebieten. Der Auftrag der Arbeitsgruppe beinhaltet die Entwicklung therapeutischer Phagen als Alternative und als Adjuvanz zur klassischen Antibiotikatherapie. Neben einer direkten Zusammenarbeit mit der Phagenambulanz des Bundeswehrkrankenhauses Berlin unterhält die Arbeitsgruppe nationale und internationale Kollaborationen, unter anderen mit der Technischen Universität München, dem Walter Reed Army Institute of Research, (WRAIR), dem  Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM), sowie der Universitäten Warschau und Helsinki.