Die Pest

Die Pest, hervorgerufen durch das Bakterium Yersinia pestis, zählt auch heute noch zu den gefürchtetsten Krankheiten. Weltweit werden jährlich ca. 3000 humane Pesterkrankungen gemeldet. Wissenschaftlern des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr (IMB) ist es nun in Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen gelungen, das Genom des Pest-Erregers aus nahezu 1500 Jahre alten Skeletten von Opfern der Justinianischen Pest zu entschlüsseln – ein Meilenstein in der historischen Pestforschung.

Die Justinianische Pest, benannt nach dem ost-römischen Kaiser Justinian (527–565 n. Chr.) war die erste der drei Pestpandemien, der Millionen von Menschen zum Opfer fielen. Über die Ursache und den Ursprung dieser verehrenden Seuche wurde in Historiker- und in Wissenschaftlerkreisen lange Zeit kontrovers diskutiert.

Erst vor kurzem gelang es Forschern der Abteilung für Bakteriologie und Toxinologie des IMB unter der wissenschaftlichen Leitung von Regierungsdirektor PD Dr. Holger C. Scholz, den Erreger der Justinianischen Pest in 1500 Jahre alten Skeletten aus München-Aschheim eindeutig nachzuweisen (vgl. News vom 17.05.2013). Mittels modernster molekularer Methoden konnte der Erreger der ersten Pest-Pandemie einer eindeutigen Position im Yersinia-pestis-Stammbaum zugeordnet werden (1). Diese Untersuchung, die gemeinsam mit Kollegen der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München und der Northern University of Arizona, USA, durchgeführt wurde, beendete die Jahrzehnte lange Debatte über die Ursache der ersten Pest-Pandemie. Erstmalig zeigten die Analysen, dass die erste Pest-Pandemie auch Deutschland erreichte – und dass diese nicht wie bisher angenommen ihren Ursprung in Afrika, sondern in Zentralasien hatte. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift PLoS Pathogens veröffentlicht (1).

Nun ist dem Forscherteam des IMB in Zusammenarbeit mit der kanadischen Arbeitsgruppe um Prof. Hendrik Poinar (MacMaster University, Kanada) ein weiterer Durchbruch gelungen. Sie konnten das nahezu vollständige Genom des Erregers der Justinianischen Pest entschlüsseln.
Mittels eines speziellen „Capture Arrays“ konnte Yersinia-pestis-spezifische DNA aus dem Zahnmaterial von verschiedenen Skeletten soweit angereichert werden, dass eine nahezu vollständige Entschlüsselung des Genoms möglich war. Diese Methode wurde bereits erfolgreich zur Entschlüsselung des Pest-Genoms des „Schwarzen Todes“ angewandt (2). Dieses Mal war die technische Herausforderung aber noch wesentlich größer, da das zu untersuchende Material aus nahezu 1500 Jahre alten menschlichen Überresten stammte, dem frühmittelalterlichen Friedhof „Aschheim-Bajuwarenring“ im Landkreis München (Fig. 1)
Die Genomanalysen des Pesterregers aus zwei Pestopfern bestätigten die Ergebnisse der ersten Untersuchung (1) und zeigen eindeutig, dass es sich phylogenetisch um einen „alten“ Pesterreger handelt, dessen molekulare Signatur bisher einzigartig ist (Fig. 2). Ein wichtiges Ergebnis der Genomanalysen ist, dass der mit der Justinianischen Pest assoziierte Y.-pestis-Stamm verschieden zu den Y.-pestis-Nachfahren des Schwarzen Tod ist. Es handelt sich beim Erreger des Schwarzen Tods also nicht um einen direkten Nachfahren des Erregers der Justinianischen Pest. Wir gehen deshalb davon aus, dass verschiedene Pest-Erreger mehrfach zu verschiedenen Zeitpunkten aus der Nagetierpopulation eingetragen wurden, die im weiteren Verlauf zu lokalen Epidemien und Pandemien führten. Weshalb die Linie des Erregers der Justinianischen Pest ausstarb und somit nicht erfolgreich war, bleibt unklar. Die Ergebnisse der neuen Studie wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Lancet Infectious Diseases“ zur Publikation angenommen (3).

"Wir hoffen auf die Möglichkeit Genomanalysen von weiteren Pestopfern aus der Justinianischen Epoche von verschiedenen Orten durchführen zu können. Nur durch vergleichende Genomanalysen können wir herausfinden ob die Justinianische Pest von einem einzelnen oder mehreren verschiedenen Pesterregern verursacht wurde", erklärte Dr. Scholz. "Wir sind dem Geheimnis der Justinianischen Pest durch unsere Untersuchungen ein gutes Stück näher gekommen, aber es gibt noch viele offene Fragen und noch viel zu tun", ergänzt Oberstabsveterinär Dr. Julia Riehm, Leiterin der Arbeitsgruppe Pest am IMB.

Literatur

(1) Harbeck M, Seifert L, Hänsch S, Wagner DM, Birdsell D, Parise KL, Wiechmann I, Grupe G, Thomas A, Keim P, Zöller L, Bramanti B, Riehm JM, Scholz HC (2013) Yersinia pestis DNA from Skeletal Remains from the 6th Century AD Reveals Insights into Justinianic Plague. PLoS Pathog 2013, 9(5): e1003349. doi:10.1371/journal.ppat.1003349 
(2) Bos KI, Schuenemann VJ, Golding GB, Burbano HA, Waglechner N, Coombes BK, McPhee JB, DeWitte SN, Meyer M, Schmedes S, Wood J, Earn DJ, Herring DA, Bauer P, Poinar HN, Krause J. A draft genome of Yersinia pestis from victims of the Black Death. Nature. 2011 Oct 12;478(7370):506-10.  
(3) Wagner DM, Klunk J, Harbeck M, Devault A, Waglechner N, Sahl JW, Enk J, Birdsell DN, Kuch M, Lumibao C, Poinar D, Pearson T, Fourment M, Golding B, Riehm JM, Earn DJD, DeWitte S, Rouillard JM, Grupe G, Wiechmann I, Bliska JB, Keim PS, Scholz HC, Holmes EC, Poinar H (2013) The Plague of Justinian was caused by a ‘dead-end’ emergence of Yersinia pestis. Lancet Infectious Diseases, accepted.