Damit ist die „Berlin“ das erste Schiff der Marine, das über die PCR (Polymerase-Kettenreaktion) Covid-19 auch in See und im Auslandshafen nachweisen kann. Einen wesentlichen Anteil an der Implementierung hatte das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw) in München. Der Institutsleiter, Oberstarzt Privatdozent Dr. Roman Wölfel, erzählt hier im Interview, welche wissenschaftlichen und logistischen Hürden genommen werden mussten, um das Testverfahren auf eine in See stehende Einheit zu bringen.
Herr Oberstarzt Dr. Wölfel, können Sie uns bitte kurz schildern, wie die Implementierung des Testverfahrens an Bord der „Berlin“ aus Ihrer Sicht ablief?
Am Freitag den 3. April fiel gegen Mittag die Entscheidung des Marinekommandos, eine Covid-19 Diagnostik auf der „Berlin“ einzurichten. Am selben Tag wurden vom InstMikroBioBw nötige Reagenzien bestellt. Um 20:00 Uhr stand das aus Sonthofen ausgeliehene PCR-Gerät zur Testung am InstMikroBioBw in München bereit. Am Samstag erfolgte außerdem die Einschiffung des PCR-Gerätes und Gerätebedieners vom Schifffahrtsmedizinischen Institut der Marine (SchiffMedInstM) in Kiel auf die „Berlin“. Abstrichproben für eine erste Testung der kompletten Besatzung wurden an die Abteilung XXI Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz geschickt und dort negativ getestet. Am Montag, den 6. April erfolgten am InstMikroBioBw in München die ersten Testläufe mit dem validierten Covid-19 Assay auf dem für die Ausbildung der Bordbesatzung der Deutschen Marine an die Schule für ABC-Abwehr in Sonthofen verliehenen Gerät.
Da diese Tests erfolgreich verliefen, waren nur wenige Abänderungen im Testablauf nötig. Am 7. April konnte eine Validierung mit Patientenproben erfolgen. Noch am gleichen Tag wurde das Material in zwei luft- und wasserdichten Transportkisten sicher verpackt und am Mittwoch, den 8. April um 11:00 Uhr in München abgeholt und per Auto nach Nordholz gebracht. Um 20:00 Uhr hob der Sea-King Helikopter in Nordholz in Richtung der bereits in der Nordsee kreuzenden „Berlin“ ab. Nach Ankunft des Helikopters und dem Entladen des Materials wurde noch am gleichen Abend ein erster Testlauf durchgeführt. Dieser, per Telemedizin gecoachte, Systemtest konnte am 9. April um 02:00 Uhr nachts erfolgreich abgeschlossen werden.
Auf welche bereits vorhandene Infrastruktur konnten Sie bei der Implementierung aufbauen?
Im Rettungszentrum See (RZ See) auf der „Berlin“ gibt es eine Laborabteilung. Diese Räumlichkeiten konnten wir mit leichten Abänderungen nutzen. Außerdem wurden ein PCR-Gerät und der mit dem Gerät sehr vertraute Gerätebediener vom SchiffMedInstM auf die „Berlin“ eingeschifft. Am InstMikroBioBw haben wir in der Abteilung für medizinische B-Aufklärung und Verifikation langjährige Erfahrung in der Durchführung von molekularbiologischer Diagnostik an unkonventionellen Orten und mit der schnellen Verlegung von Labormaterial. Außerdem läuft die Covid-19 Diagnostik bei uns am Institut natürlich seit Wochen in großem Maßstab. Daher hatten wir fast alle nötigen Materialien, vor allem auch Covid-19 Positivkontrollen, vorrätig.
Vor welchen Herausforderungen standen Sie sowohl wissenschaftlich als auch logistisch?
Der Covid-19 Test, den wir hier am InstMikroBioBw verwenden, wurde von uns für die klinische Diagnostik validiert. Das auf der „Berlin“ (vom SchiffMedInstM eingeschiffte) vorhandene PCR-Gerät ist für diesen Test nicht ausgelegt und wir hatten bisher nie damit gearbeitet. Deshalb war es nötig ein solches Gerät an das Institut zu bekommen und den Covid-19 Test im Schnellverfahren darauf zu implementieren und zu validieren. Die Schule ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben in Sonthofen konnte uns zum Glück innerhalb weniger Stunden ihr baugleiches Gerät zur Verfügung stellen. Außerdem musste eine Diagnostikstrategie für die Kameradinnen und Kameraden auf See festgelegt werden. Eine besondere logistische Herausforderung lag darin, alle Materialien, teilweise bei -20 Grad Celsius gekühlt, schnellstmöglich von München an Bord der in der Nordsee kreuzenden „Berlin“ zu transportieren.
Hier haben uns unsere langjährige Erfahrung in der schnell verlegbaren Labordiagnostik und das Vorhandensein geeigneter Transportbehältnisse sehr geholfen. Die Marine hat den Transport des Materials auf dem Landweg nach Nordholz und per Hubschrauber zur „Berlin“ innerhalb kürzester Zeit realisiert. Insgesamt mussten sowohl die Testvaliderung, als auch der Materialtransport sehr schnell geschehen, da wir wussten, dass eine Verzögerung hier eine Verzögerung der Versorgung der Einheiten im Mittelmeer bedeuten würde.
Die „Berlin“ war ja zu dieser Zeit in der Nordsee unterwegs. Wie gut ist die Verbindung zu einer in See stehenden Einheit? Konnten Sie problemlos mit den Kameradinnen und Kameraden an Bord kommunizieren?
Da das Schiffslabor nicht für die molekularbiologische Diagnostik ausgelegt ist, mussten wir die Einrichtung der Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe telemedizinisch, also per Bildtelefonie organisieren. Um die Diagnostik im Schiffslabor solide einzurichten, war es nötig zunächst Kontrollläufe mit verschiedenen Positiv- und Negativkontrollen durchzuführen. Wir haben das Personal an Bord dabei durchgängig telemedizinisch begleitet. Über diese Verbindung konnten wir problemlos und in guter Qualiät mit dem Team auf der „Berlin“ kommunizieren.
Herr Oberstarzt, wie wird das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr die „Berlin“ weiterhin unterstützen?
Das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr wird die „Berlin“ als „Reach Back Labor“ auch weiter fachlich unterstützen. Wir stehen rund um die Uhr zur telemedizinischen Beratung zur Verfügung. Dabei unterstützen wir sowohl bei technischen Fragen, als auch bei der Befundung von möglichen Patientinnen und Patienten. Natürlich können unklare Proben auch zu uns versandt und in unserem Labor nachgetestet werden.
Weiterführender Link: Die Marine verfügt erstmals über Covid-19-Tests auf See